Burg für die Bären im Tiergarten des KZ Buchenwald |
Im Jahr 1938 ließ Lagerkommandant Karl Koch das Terrain zwischen „politischer Abteilung“ und Lagerzaun umgestalten. Finanziert wurde das Projekt durch erpresste Spenden, gebaut durch die Inhaftierten des Konzentrationslagers. Es entstand eine Bärenburg, ein Affengehege, ein Wildgatter und ein Teich für Enten und Schwäne. Die Tiere wurden angeschafft, teils aus dem Leipziger Zoo, um dann von Häftlingen gepflegt und von SS-Männern begutachtet zu werden. Karl Koch teilte dieses Idyll mit seiner Familie, seine Frau dokumentierte Ausflüge in den Tiergarten in einem liebevoll angelegten Fotoalbum. Tierquälerei verärgerte Koch zutiefst, was ihn dazu veranlasste, die SS- Angehörigen und Zivilarbeiter des Lagers zu bestrafen, sobald sie seine Schützlinge „neckten“.
Die Häftlinge waren gezwungen die Tiere zu pflegen und zu füttern, obwohl sie selber ständig vor dem Hungertod standen. Die SS-Männer konnten in ihrer Freizeit die Tiere betrachten oder unerlaubterweise füttern und „necken“. Zivilarbeiter vergnügten sich ebenfalls im lagereigenen Zoo. Die Kinder Kochs wuchsen anscheinend mit regelmäßigen Ausflügen zum Tiergarten auf, sie wohnten in der Nähe.
Doch stellt sich die Frage, wozu einen Tiergarten, etwas scheinbar „normales“ in einem Konzentrationslager? War es Kochs persönliche Liebe zur Natur, seine Tierliebe?
Vom ehemaligen Lagerkommandanten von Auschwitz, Rudolf Höß, ist bekannt, dass er eine große Beziehung zu seinen Pferden aufbaute. Er ritt stundenlang um den Geschehnissen in Konzentrations- und Vernichtungslager zu entkommen. Außerdem war er nach der Liquidierung tausender Kinder und Frauen nicht imstande, seine eigene Familie zu sehen.
Vielleicht war der Zoo in Buchenwald für die SS- Männer und Karl Koch samt seiner Familie ein wichtiger Ort der Kompensation, wobei die Tiere bloß eine sekundäre Rolle gespielt haben. Für die Häftlinge war es ein Ort des Zynismus der SS. Andererseits spiegelt ein Zoo die Welt von „außerhalb“ wieder. Ein Ort, der zumindest ein kleines Stückchen Normalität in einem komplexen Todessystem zu sein scheint.
Ida Haurand
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Die Begegnung "O przypominaniu i zapominaniu - Vom Erinnern und Vergessen" wird ermöglicht durch die finanzielle Unterstützung des Bündnisses für Demokratie und Toleranz, der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft, des Deutsch-Polnischen Jugendwerks sowie der Doris-Wuppermann-Stiftung für soziale Demokratie.