02.03.2012

Die Evolution einer Gedenkstätte


Auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Mittelbau-Dora werden die Hinterlassenschaften verschiedener Gedenkepochen  selbst zum historischen Lernort. 

Vor dem Krematorium des ehemaligen KZ Mittelbau-Dora
(Photo: Andreas Kruzel)
Der  ehemalige Appellplatz des Lagers wurde in den 1970-er Jahren zu einer Gedenkstätte umgestaltet, die nach DDR-Lesart vor allem der kommunistischen Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen gedenken sollte.  Mehr ein Platz für politische Veranstaltungen, als ein Ort stillen Gedenkens, wird das Areal von einer monumentalen Tribüne dominiert, umrahmt von einer Feuerschale und zwei Fahnenmasten. Die ursprüngliche Inschrift gedachte nur „faschistischer Widerstandskämpfer“. Zwar wurden Nationen aufgezählt, jedoch ohne Berücksichtigung  der Juden sowie Sinti und Roma. Die DDR brauchte eine Identitätsgrundlage, einen Bezugspunkt, auf den man sich berufen konnte. Jeder Schüler der DDR musste eine Mahn- und Gedenkstätte besuchen, wobei den Vernichtungs- und Arbeitslagern der DDR eine besondere Rolle zu fiel– vor allem Buchenwald und Sachsenhausen, die zu Orten des absoluten kommunistischen Widerstandes stilisiert wurden. Mythen wurden staatlich gefördert und weiterausgebaut.

Doch anders als Buchenwald, nahe Weimar, und Sachsenhausen, vor den Toren Berlins, war das KZ Mittelbau im Südharz keine nationale Mahn- und Gedenkstätte. Erst nach mehreren Jahrzehnten bemühte sich auch der Landkreis um die Eröffnung eines Erinnerungsortes. Der Großteil der Häftlinge in diesem KZ kamen aus Polen, darunter auch einige Juden sowie Sowjetbürger. Nach Ende des Krieges und natürlich vor allem mit Eröffnung der Gedenkstätte wurden die sowjetischen Opfer massiv in den Vordergrund gerückt – auch so versuchte sich die SU als legitimierte Macht darzustellen. Doch wie sollte die Aufarbeitung eines solch schrecklichen Ortes wirklich aussehen? Was ist wichtig? Was darf weggelassen werden und was in den Mittelpunkt gestellt werden?

Die heutige Gedenkstätte Mittelbau-Dora – seit 1990 - ist ein vorbildliches Beispiel für eine verantwortungsbewusste Aufarbeitung und der Versuch allen Seiten und vor allem Opfergruppen gerecht zu werden. Der in der DDR-Zeit gestaltete Appellplatz ist auch heute noch zu sehen und das soll auch so bleiben, denn nur wenn auch diese Spuren erhalten bleiben, können auch nachfolgende Generationen sehen, welchen unterschiedlichen Umgang man mit Geschichte haben kann. Sicher ist die DDR-Aufarbeitung oder besser, das Außerachtlassen vieler Aspekte in diesem Zusammenhang kritisch zu sehen, dennoch ist es wichtig auch diese Relikte zu erhalten – genau das macht auch die heutige Gedenkstätte. Der „DDR-Appellplatz“ steht heute unter Denkmalschutz. 

Um auch den „vergessenen“ – oder besser bewusst außer Acht gelassenen Gruppen zu gedenken, wurden weitere Tafeln angebracht; zwar nicht direkt auf dem denkmalgeschützten Appellplatz, aber an der Erinnerungsstätte des Aschegrabes und des Krematoriums. So ist ein neuer Gedenkort geschaffen worden, der still sein kann. Gleichzeitig bietet er auch all jenen Raum zum Gedenken, die  dies gemeinschaftlich tun wollen. Allen Gruppen (seien dies Nationen, Religionsgruppen oder politisch Verfolgte) gerecht zu werden, ist dabei kaum möglich. Und so wird sich dieser Ort weiter entwickeln und es werden verschiedene Erinnerungskonzepte nebeneinander existieren. Davon zu erzählen macht diesen Ort zu etwas Besonderem: zu einem Ort der Geschichte vom Umgang mit dem Gedenken.

Andreas Kruzel
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Die Begegnung "O przypominaniu i zapominaniu - Vom Erinnern und Vergessen" wird ermöglicht durch die finanzielle Unterstützung des Bündnisses für Demokratie und Toleranz, der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft, des Deutsch-Polnischen Jugendwerks sowie der Doris-Wuppermann-Stiftung für soziale Demokratie.